Die Vorzüge des Spazierens
Den Gedanken Platz lassen
Spazieren feuert die Synapsen an – wer dagegen dauernd nur sitzt, der:ie fährt auch den kreativen Motor des Gehirns herunter. Je mehr Strecken wir also abschreiten, desto geistreicher werden die Gedanken. Zumindest kommt der Neurowissenschaftler Shane O’Mara zu dieser Annahme: "Nie haben die Gedanken so viel Freiheit wie beim Gehen". Kürzlich erschien sein Buch “Das Glück des Gehens”. Über Jahre untersuchte O’Mara die Wirkung des Spazierens auf die Stimmung und die Alterung des Gehirns. Wobei während des Gehens ersteres gehoben werde und letzteres verlangsamt.
Dass Spaziergänge eine anregende Wirkung auf die Gedanken besitzen, ist dabei keine Neuentdeckung: Ernest Hemingway ging während seiner Zeit in Paris täglich im Jardin du Luxembourg spazieren, Immanuel Kant seinerseits punkt sieben Uhr abends in Königsberg. Martin Heidegger tat es auf einem Feldweg und Steve Jobs lud zu ‘Walking Meetings’ ein. Neu ist, dass die gehende Stimulation erstmals wissenschaftlich gemessen wurde. Und auch neu ist, dass wir in unseren zunehmend urbanen Lebensstilen mit dem Problem konfrontiert werden, im Städtischen für diese kreativen Impulse zu wenig Raum zu finden.
Mangel an Inspiration
O'Mara sagt, dass es insbesondere Städten an schönen Routen zum Gehen mangele. Statt ein Leben innerhalb inspirierender Räume zu bevorzugen, würden wir in Schachteln leben: in beweglichen Schachteln (Autos) und in statischen Schachteln (Gebäude). Nur in kleinen Zonen und Zwischenräumen würde an die Fussgänger gedacht.
Der positive Effekt der vergangenen 18 Monate: Das Virus hat uns trotz Quarantänen und Lockdowns vermehrt zum Spaziergang nach draussen getrieben. Diese Gewohnheit sollte man der Kreativität zuliebe auch dann beibehalten, wenn Corona nicht mehr Teil unseres Alltags sondern der Geschichtsbücher sein wird.
Im nächsten Blog-Post gibt es eine persönliche Auswahl an Spaziergängen in der Stadt, um den Schachteln und Befürchtungen von O’Mara, im Städtischen keine inspirierenden Wege zu finden, entgegenzuwirken.
Quelle: Süddeutsche Zeitung, “Wenn wir gehen, werden wir kreativer”, 29.3.2020.